Pohl-Göns, ein Ort am Pfahlgraben (Limes)

von Werner Wagner

Pohl-Göns mit ca. 1400 Einwohnern liegt in etwa 250 m auf der Wasserscheide Lahn/Wetter, der Giessener Schwelle, am Übergang zweier fruchtbarer mittelhessischer Lößbecken, dem von Nieder-Weisel im Süden und dem von Gießen im Norden. Schon die Römer haben diese exponierte Lage erkannt und die hier von Süden nach Norden verlaufende Handelsstraße (vgl. die historische “Weinstraße“ bzw. heutige B 3) mit dem Kleinkastell Degerfeld bei Butzbach gesichert. Der Limesverlauf auf dem Landrücken als von Süden nach Norden verlaufende Wald- und Gemarkungsgrenze zeigt dies heute deutlich. Der Name Pohl-Göns ist wohl vom 1250 erstmals als „Palgunsin“ erwähnten Ortsnamen als Hinweis auf den „Pfahl“ bzw. Pfahlgraben, die Bezeichnung für den Limes, abzuleiten. Der Ort gehörte vom frühen Mittelalter zur historischen Großmark Hüttenberg, die ihren ursprünglichen kirchlichen Mittelpunkt in Großen-Linden, dem alten Hauptort des Hüttenberges, hatte. Der Taufstein, der wohl älteste Gegenstand des Ortes, auf dem Pohl-Gönser Friedhof dürfte aus romanischer Zeit stammen. Die 1221 für Pohl-Göns erwähnte Kapelle stellt eine Filiale der älteren Mutterkirche von Kirch-Göns dar. Die Fenster im Chor des heutigen Gotteshauses stammen aus der Zeit um 1400. Die Kirche, ein Rechteckbau mit Dachreiter, stammt aus gotischer Zeit. 1927/28 wurde ein Seitenschiff angebaut und der Dachreiter erneuert. 1738 und später wurden verschiedene bauliche Veränderungen an der gotischen Kirche vorgenommen.

Das Pfarrhaus, eines der ältesten Gebäude des Ortes von 1535/36, ging in Privathand über, bis für Kirch- und Pohl-Göns ein Neubau zwischen beiden Orten errichtet wurde. Mit der Einführung der Reformation 1532/35 erhielt der Ort auch eine Knabenschule, die 1584 erstmals erwähnt wird. In den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts errichtete man eine neue Schule und 1887/88 einen Neubau mit einem Anbau von 1954 am Kreuz, der markanten Straßenkreuzung im Ortskern, wo auch das Rathaus von 1901/02 und das 1963 abgerissene Backhaus lagen bzw. liegen. Da 1931 und 1953 zwei Bäckereien eröffnet wurden, wurde das Backhaus bedeutungslos. Ab 1968 besuchen die Kinder von Pohl-Göns mit denen von Ebersgöns, Kirch-Göns und Oberkleen die Mittelpunktschule Mittlerer Hüttenberg bzw. benachbarte weiter führende Schulen.

Pohl-Göns war über Jahrhunderte Zollstation (vgl. benachbarte preußische Grenze) und der Fernverkehr lief bis 1762 auf der Alten Straße östlich um das Dorf herum. Mit dem Ausbau der Straße nach Wetzlar lief der Verkehr dann durch den Ort. Die Ortsdurchfahrt wurde erst 1933/34 gepflastert.

Pohl- wie Kirch-Göns gehörten Jahrhunderte lang zur Grafschaft Hüttenberg mit seinen ausgeprägten volkskundlichen Besonderheiten, wie die stattlichen geschlossenen Gehöfte mit ihren hohen Hoftoren und reichen Schnitzereien des 18. und 19. Jahrhunderts im Ortskern und die bis in die jüngste Zeit von älteren Frauen getragene prächtige Hüttenberger Tracht belegen. Das gesamte Gericht bzw. Amt Hüttenberg im Städtedreieck Wetzlar, Gießen und Butzbach ist vom 16. bis in das 19. Jahrhundert bis heute durch einen eigenen Hausbau, die Kleidung und spezifisches Brauchtum geprägt. Vor allem der bäuerliche Charakter (Gehöftform, hohe Hoftore) sticht dem aufmerksamen Besucher heute im alten Dorfkern von Pohl-Göns besonders ins Auge.

1914 erhielt Pohl-Göns elektrisches Licht. Mit dem Bau der Nebenstrecke der Butzbach-Licher-Privatbahn von Butzbach-Ost über Pohl-Göns bis Oberkleen 1910/11 wurde der Anschluss an das überregionale Schienennetz und das Pendeln an einen Arbeitsplatz vor allem in Butzbacher Industriebetriebe erleichtert, bis 1956 der Personenverkehr und 1969 der Streckenabschnitt von Pohl-Göns nach Oberkleen wegen Unrentabilität eingestellt wurden, während die verbleibende Strecke wegen der amerikanischen Militärtransporte in die Ayers-Kaserne in Kirch-Göns bis zu deren Aufgabe weiter genutzt wurde. Heute endet die Oberkleener Trasse im offenen Feld bei Pohl-Göns.

Wie die Stadtteile Butzbach, Ebersgöns, Griedel, Hoch-Weisel und Nieder-Weisel besaß auch Pohl-Göns zusammen mit Kirch-Göns eine jüdische Gemeinde und eine Synagoge, die durch Nazi-Terror vernichtet wurden. Während alle genannten Synagogen in der Reichpogromnacht 1938 ein Opfer der Flammen und nach 1945 abgerissen oder umgebaut wurden, blieb die Pohl-Gönser Synagoge in der Gießener Straße 24 unzerstört, da 1938 eine Stromleitung über sie führte. Dennoch wurde das Mobiliar zerschlagen und das Gebäude geschändet. Sie wurde 1927 für die 27 jüdischen Gemeindemitglieder von Pohl- und Kirch-Göns mit einem Grundriss von 7,10m auf 7,30m in Würfelform mit Walmdach errichtet und dient heute als Abstellraum für eine Schreinerei. Die Pohl-Gönser und Kirch-Gönser Juden beerdigten ihre Toten auf zwei heute noch existierenden Friedhöfen.

Nach 1945 suchten viele Heimatvertriebene und Flüchtlinge eine Bleibe, so dass man sich entschloss, von 1948 bis 1969 am „Windhof“, einer 1929 erbauten und bei vielen Besuchern noch heute beliebten Gaststätte für die umliegenden Ortschaften, ca. 70 neue Wohngebäude für etwa 400 Personen zu errichten.

Pohl-Göns blieb bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine im Wesentlichen bäuerlich geprägte Gemeinde. An gewerbliche Ansätzen sind die bis 1935 arbeitende Maschinenfabrik Anton Volp mit ca. 25 bis 30 Beschäftigten (Herstellung von Drillmaschinen), die von 1937 bis 1956 produzierende Schuhfabrik Büddecker u. Laux und die von 1956 bis 1968 bestehende Schulmöbelfabrik Straub, die heute der Baufirma Jaksch gehört, zu nennen. Die kommunale Selbständigkeit von Pohl-Göns endet mit der Eingliederung am 31.12.1970 nach Butzbach. Dennoch hat sich Pohl-Göns durch sein eindrucksvolles Dorfbild und sein stark ausgeprägtes Vereinsleben einen hohen Grad an Selbständigkeit und Individualität bewahrt.

(Aus der 13. Ausgabe der Seniorenzeitung vom September 2008)