Butzbach, der zentrale Ort der nördlichen Wetterau

von Werner Wagner

Der Gunstraum der nördlichen Wetterau ist seit der Jungsteinzeit und auch in den späteren Kulturepochen kontinuierlich besiedelt. Die Römer erkennen den Wert der fruchtbaren Wetterau und gliedern sie mit dem Bau des Limes in ihr Imperium ein. Hiervon legen der Limes mit seinen Befestigungsanlagen (rekonstruierter Wachtturm auf dem Schrenzer, Hunneburg- und Degerfeldkastell) und einer Zivilsiedlung Zeugnis ab.

Nach dem Rückzug der Römer um 260 n. Chr. fand man in der Kugelherrenstraße Spuren einer germanischen Siedlung des 4/5. Jahrhunderts. In der Folge entwickelt sich eine dörfliche Siedlung, die 773 als „Botisphaden“ im Lorscher Kodex erstmals erwähnt wird. Verkehrsgünstig an der von Norden nach Süden führenden Fernverkehrsstraße, der „Weinstraße“, gelegen, wechseln die Stadtherren in den folgenden Jahrhunderten mehrfach.

1321 verleiht Kaiser Ludwig der Bayer dem Dorf Butzbach Stadtrechte. Daraufhin werden Stadtmauern und weitere Besfestigungsanlagen gebaut. 1368 erhält Butzbach das Stadtprivileg, auf Grund dessen eine wirtschaftliche Blüte einsetzt. Man errichtet ein Rathaus, eine Markthalle, ein Hochzeitshaus, ein Gerichtshaus und baute das ältere Gotteshaus bis 1520 zu einer mächtigen gotischen Hallenkirche um. Die Wirtschaft blüht im 15. Jahrhundert auf. Handwerker und Kaufleute siedeln sich in der Stadt an. Es werden 181 Berufe genannt. Vor allem Tuchmacher und Wollenweber beliefern den Wormser Markt und die Frankfurter Messe. Butzbach ist im 15. Jahrhundert mit ca. 2000 Einwohner ein recht bedeutender „zentraler Ort“. Um 1390 wird im Südosten der Stadt eine neue Burg erbaut, von der einzelne Teile im Landgrafenschloss noch erhalten sind. Im 15. und 16. Jahrhundert entstehen durch Erbteilungen drei weitere Burgsitze und weitere Baulichkeiten für die diversen Stadtherren.

Im 30jährigen Krieg leidet die Bevölkerung unter Einquartierungen und Truppendurchmärschen, obwohl die Stadt zur Regierungszeit von Landgraf Philipp von Hessen-Darmstadt-Butzbach (1609-1643), der das Residenzschloss ausbauen und große Parkanlagen anlegen lässt, vor größeren Schäden weitgehend verschont bleibt. 1741 wird Butzbach hessisch.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägt Dr. Friedrich Ludwig Weidig (1791-1837) als Lehrer, Pfarrer, Turner und Freiheitskämpfer die Stadt. 1834 verfasst er zusammen mit Georg Büchner die revolutionäre Kampfschrift „Der Hessische Landbote“. Weidig wird wegen seiner demokratischen Gesinnung strafversetzt, eingesperrt und stirbt in Darmstadt im Kerker. Der freiheitliche Geist von Weidig wirkt bei seinen Schülern, Anhängern und einigen Butzbacher Vereinen weiter.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickeln sich aus Butzbacher Handwerksbetrieben (Bäcker, Schmied, Schuster) bedeutende Industriebetriebe und mit der Ansiedlung der Bamag-Meguin nach dem ersten Weltkrieg wird Butzbach zum wichtigsten Industriestandort in der Wetterau. 1894 wird Butzbach durch den Bau des „Zuchthauses“, der heutigen Justizvollzugsanstalt, mit seinem Knast in ganz Deutschland bekannt. Glücklicherweise bleibt die historische Altstadt im zweiten Weltkrieg mit Ausnahme der Weiseler Straße von größeren Bombenschäden verschont.

In den letzten Jahren hat der Gerwerbestandort Butzbach viel von seiner früheren Bedeutung verloren, da die meisten traditionellen Butzbacher Industriebetriebe ihre Produktion eingestellt haben. Trotz günstiger Verkehrslage und neu erschlossener attraktiver Gewerbeflächen ist es noch nicht gelungen, adäquaten Ersatz zu schaffen, was vor allem angesichts der aktuellen Rezession schwierig ist. Nach dem Abzug der Amerikaner nach 1990 aus der Schloßkaserne und der Ayers-Kaserne in Kirch-Göns stand die Stadt Butzbach vor großen städteplanerischen Herausforderungen. Während das Schlosskasernengelände trotz großer finanzieller Opfer einer attraktiven und sinnvollen Nutzung zugeführt wird, muss weiterhin über die zukünftige Nutzung des Ayerskasernenareals nachgedacht werden. Angesichts leerer Kassen und Konjunkturflaute stehen unserer Stadt schwere Zeiten bevor.

(Aus der Ausgabe 2 der „Butzbacher Seniorenzeitung“ von 2003)