Ostheim, ein kleiner Gewerbestandort

von Werner Wagner

Dieser etwa 200 m hoch auf fruchtbarem Lößboden verkehrsgünstig gelegene Butzbacher Stadtteil wird von der alten Nord-Süd-Fernstraße (vgl. heutige B 3), der Weinstraße (“Wagenstraße“), gestreift. Die Weinstraße durchzog den Ort von Norden nach Süden und ist noch heute im Neubaugebiet in Resten, südlich im freien Feld allerdings als breite, durch Wagen ausgefahrene Mulde im Gelände recht gut zu erkennen. Leider wurden Teile dieser prähistorischen Durchgangsstraße unverständlicherweise mit Müll verfüllt. In Zukunft sollte man darauf achten, dass dies auf jeden Fall verhindert wird. Mit seinen heute 1038 Einwohnern lag der Ort auf römischem Gebiet und fränkische Reihengräber wie auch der Ortsname auf „heim“ belegen, dass die Siedlung wohl schon im 6./7. Jahrhundert existierte. Im späten Mittelalter gehörte der Ort wie viele Nachbarorte zur Hoch-Weiseler Mark, die Wald, Wasser und Weide gemeinsam nutzten. Ostheim wird 1265 erstmals als „Ostheym“ urkundlich erwähnt, es ist aber auch möglich, dass der Ort schon im 8. Jahrhundert in Urkunden des Klosters Fulda erwähnt wird. Ostheim gehörte bis 1255 den Herren von Münzenberg, dann den Falkensteinern, Eppsteinern, den Grafen von Solms und dann den Landgrafen von Hessen-Darmstadt.

Ein Blick auf die Karte zeigt, dass es sich bei dem alten Ortskern um ein Ost-West gerichtetes Haufendorf in T-Form handelt, das im Mittelalter von einem Haingraben, Wällen und Hecken mit zwei befestigten Pforten an den zwei Dorfeingängen umgeben war. Heute erinnern nur noch die an einigen Stellen recht gerade verlaufenden alten Scheunengrenzen an die ehemalige Befestigung. 1770 brannten große Teile des Dorfes ab, da zwei Kinder mit Feuer in einer Scheune gespielt hatten. Erst nach 1850 dehnte sich der Ort nach Nordosten zum Haltepunkt der Main-Weser-Bahn aus.

Bei einem Gang durch das Dorf fallen dem aufmerksamen Besucher vor allem die alte Kirche und das schmucke Rathaus auf. Die mittelalterliche, dem heiligen Martin geweihte Kirche, charakterisiert mit ihrem typischen Wehrturm und ihren vier Wichhäuschen Ostheim schon von Ferne.

Sie besitzt wohl einen Vorgängerbau aus dem 14. Jahrhundert, wie der ehemalige Chorturm zeigt. Im Mittelalter gehörte die Kirche als Besitz der Herren von Münzenberg zur Großpfarrei Nieder-Weisel. Die Patronatsrechte wurden dann nach dem Übergang auf die Herren von Münzenberg 1255 an die Johanniter in Nieder-Weisel und danach an den hessischen Landgrafen übertragen. Im gotischen Turm befinden sich mehrfach restaurierte Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert. Das Gewölbe mit den Evangelistensymbolen, die Ostwand, u.a. mit einer kleinen Kreuzigungsgruppe und Resten der Anbetung der Heiligen Drei Könige, einer Mutter Gottes mit Kind in einer Mandorla (mandelförmigem Heiligenschein), die Südwand u. a. mit der Heiligen Margaretha als Drachtöterin, der Heiligen Katharina und einer Kreuzigungsszene, wo als Beispiel für spätmittelalterlichen Antijudaismus ein Jude mit Spitzhut Christus die Dornenkrone in den Kopf presst. Wie immer bei Baudenkmälern nagte der Zahn der Zeit in über 500 Jahren auch an den Ostheimer Wandmalereien, was durch die neue Heizung noch verstärkt wurde, so dass die Eppsteiner Restaurautorengemeinschaft Steyer und Silbernagel 1994 nach entsprechenden Voruntersuchungen die Fresken bis 1999 restaurierte und diese am 24.1.1999 in einem feierlichen Gottesdienst der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der Turm als quadratischer Chorraum trug ehemals eine offene Wehrplattform, auf die im 16. Jahrhundert ein achteckiger Spitzhelm mit Wichhäuschen aufgesetzt wurde. 1749/50 wurde ein barocker Saalbau mit Stuckdecke vorgebaut.

Das Rathaus prägt noch heute Ostheim entscheidend. Nach dem Dreißigjährigen Krieg befand sich das ehemalige Spielhaus für Rats- und Gerichtssitzungen, Räumen für ein Gefängnis und Spritzenhaus und eine „Weed“, einem Brandweiher, in einem so schlechten baulichen Zustand, dass es 1679 abgerissen werden musste und durch das heutige Rathaus ersetzt wurde. Dendros ergaben ein Erbauungsdatum von 1668/69. Die große Halle im Erdgeschoss diente lange Zeit gemeindlichen Zwecken. Nach dem Bau des Bürgerhauses in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts verkam die Bausubstanz, bis Doris Müller, die Chefin der Apfelweinkelterei Müller, 1986 die Initiative zur Rettung des wunderschönen Baus ergriff. Nach Vorliegen der Baugenehmigung 1990 wurde das Gebäude 20 Monate lang grundlegend saniert und ein gemauerter Erweiterungsbau errichtet. Nach Abschluss der Arbeiten wurde das „neue“ Rathaus am 17. Mai 1992 eingeweiht und der Öffentlichkeit vorgestellt. Heute kann das Erdgeschoss für Feiern gemietet werden, während sich im ersten Stock eine Wohnung befindet.

In Ostheim gab es schon immer Apfelweinkeltereien (vgl. z. B. die Kelterei Linnarz). Die heutige Apfelweinkelterei Müller entwickelte sich aus der Gastwirtschaft von Jakob Fett von 1873 und der Gastwirtschaft und Metzgerei mit Kelterei von Heinrich Müller aus Langgöns von einer einfachen Apfelweinkelterei mit einigen Hindernissen (z.B. Keltereiverbot im Ersten Weltkrieg, Alkoholverbot von 1924 mit daraus resultierender Limonadenherstellung, Süßmostherstellung seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts) zum heutigen Betrieb (ca. 50 Beschäftigte) mit einer breiten Palette von bekannten Fruchtsäften und Getränken.

Neben der Firma Müller ist noch die 1896 am Ostheimer Bahnhof erbaute Molkerei-Genossenschaft Ostheim/Nieder-Weisel zu nennen, die allerdings mittlerweile ihren Betrieb eingestellt hat. In ihren Gebäuden haben sich andere Gewerbebetriebe niedergelassen.

Jahrelang lief der gesamte Verkehr durch den Ostheimer Ortskern. Hier wurde durch den Bau einer Umgehungsstraße Abhilfe geschaffen, so dass die Ortsdurchfahrt heute weitgehend vom Durchgangsverkehr frei ist. Das Neubaugebiet zwischen Bahnhof und altem Ortskern macht Ostheim heute zu einem attraktiven und recht ruhigen Wohnstandort.

(Aus der 12. Ausgabe der Seniorenzeitung vom März 2008)