Hoch-Weisel, der ehemalige Mittelpunkt der Weiseler Mark

von Werner Wagner

Hoch-Weisel liegt noch in der fruchtbaren Wetterau an der Ostflanke des 486 m hohen Hausbergs, einem Taunusausläufer, dessen keltische Ringwallanlagen auf einem gut ausgeschilderten historischen Wanderweg erschlossen sind. Der Limes, die römische Grenzbefestigung, führt direkt westlich an Hoch-Weisel vorbei. Nachdem das Römerreich unter dem Ansturm der Germanen zerbrach, wurde das Land in Gaue, Zehntschaften und Marken eingeteilt. So wird die „Wizelere marca“ 772 erstmals urkundlich erwähnt. Ob sich diese Nennung auf Hoch-Weisel oder Nieder-Weisel bezieht, bleibt unklar. 1478 zählen neben Hoch-Weisel auch Fauerbach v.d.H., Münster, Maibach, Bodenrod, Ostheim, Weiperfelden, Cleeberg und einige Wüstungen (ausgegangene Orte) zu dieser Mark. Der Name Hoch-Weisel taucht erstmals 1231 als „Honewisele“ auf. Die Geschichte von Hoch-Weisel ist untrennbar mit der Hoch-Weiseler Mark, einer Großmark von ca. 2000 ha Wald mit einer OW-Ausdehnung von 13 km und einer NS-Ausdehnung von 6 km, verbunden.

Die anfangs genannten Orte bildeten einen Gerichtsbezirk und der Obermärker als Vorsteher der Mark hielt zwei Mal im Jahr unter der Linde auf der Hoyer, einem erhöhten Platz am westlichen Dorfrand, Gericht. Die Mark wechselte im Laufe der Jahrhunderte ihren Besitzer: von den Münzenbergern  über die Falkensteiner, die Eppsteiner, die Katzenelnbogener bis zu den Landgrafen von Hessen. Von 1609 bis 1643 kam die Mark in die Hände von Landgraf Philipp von Hessen-Butzbach, der sich u.a. als Förderer des Weinbaus im heimischen Raum einen Namen machte, um dann wieder in Besitz von Hessen-Darmstadt zu fallen. Im 18. Jahrhundert sollte die Hoch-Weiseler Mark unter den Dörfern aufgeteilt werden, vor allem weil Cleeberg inzwischen einem andere Herren gehörte. Der Teilungsentwurf von 1733 scheiterte: Der Prozess dauerte 111 Jahre und erst  1847 wurde der Markwald aufgrund der Märkerzahl an die einzelnen Orte verteilt.

1411 bestand auf jeden Fall schon ein kleiner herrschaftlicher Amtshof oder eine kleine Burg als Sitz eines Falkensteinischen Amtmannes. Noch 1567 wird ein „Haus auf dem Burggraben“ erwähnt, das direkt gegenüber dem „See“, wie der Feuerlöschteich in Hoch-Weisel genannt wird, stand. Seine Reste sind heute als runder Turm im Haus der Familie Fischer erhalten.

Zuerst war Münster Kirchdorf der Mark und die zur Mark gehörenden Orte erbauten ihre Kirchen später. Hoch-Weisel besaß schon im 16. Jahrhundert eine der ältesten Dorfschulen, die von Pfarrer Johannes Schepp (gest. 1566) gegründet wurde und die auch von Kindern aus Ostheim, Fauerbach und Münster besucht wurde.

Hoch-Weisel war im Spätmittelalter von einem Haingraben, einem Erdwall mit Graben und Hecke, umgeben. Reste dieser alten Dorfbefestigung verschwanden bei der Flurbereinigung Anfang des 20. Jahrhunderts. So besaß die Sackgasse früher keinen Durchgang in die Feldmark, da der von der Burg herkommende Haingraben zu tief war. Das Dorf besaß drei Durchgänge durch den Haingraben, die „Bornpforte“ nach Süden, die „Butzbacher Pforte“ nach Norden und die „Hoyerpforte“ im Westen nach Hausen zu. Leider wurde ein solcher pfortenartiger Durchgang zur „Hoyer“ hin, das „Brandenburger“ Tor, als Rest einer Scheune vor einigen Jahren entfernt und in den Hessenpark gebracht. Ortskenner können noch heute Spuren des Haingrabens zeigen.

Dem Besucher fällt vor allem der malerische Dorfmittelpunkt im Bereich des Lindenbergs auf. Hier prägen das vom Heimatverein mustergültig restaurierte pyramidenförmige Backhaus und das dahinter liegende 1584 errichtete stattliche Rats- und Gerichtshaus das Ortsbild.

Im von einer hohen Stützmauer befestigten ehemaligen Friedhof liegt die sehenswerte Kirche mit einem runden bzw. achteckigen Chorturm mit spätgotischen Fresken und einem romanischen Taufstein. Das Langhaus wurde  1684 angebaut. Auf dem Friedhof neben der Kirche lagen die Gebäude der Hoch-Weiseler „Klause“, einen klosterähnlichen Schwesternhaus, das nach der Reformation in ein Hospital bzw. Altenheim umgewandelt wurde und dessen Nachlass heute von einem Vorstand verwaltet wird. Hoch-Weisel besaß im 19. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, auf die der jüdische Friedhof südwestlich des Dorfes hinweist.

Obwohl Hoch-Weisel abseits einer großen Heerstraße lag, wurde es weder von den Wirren des Dreißigjährigen oder der Napoleonischen Kriege verschont. Nach 1800 mussten Kriegssteuern und Kontributionen an die Franzosen gezahlt werden. Trotz der Agrar- und Wirtschaftsreformen Anfang des 19. Jahrhunderts konnte man sich nicht von der Landwirtschaft allein ernähren. Die herrschende Realteilung führte zu heilloser Besitzzersplitterung und man war auf einen Zuerwerb angewiesen, den man im „Landgehen“ oder als Straßenkehrer in Paris fand. Fliegenwedel, selbst  gefertigte Reiserbesen oder Objekte aus Holz wurden im Ausland bis Holland, England und Russland verkauft. Das „Landgehen“ fand erst nach der Reichsgründung sein Ende. Dennoch war man trotz fortschreitender Industrialisierung bis Anfang des 20. Jahrhundert auf ein Zubrot angewiesenen. Der Uzname „Huch-Weisler Kees“ für die Hoch-Weiseler weist auf die frühere Käseherstellung in Hoch-Weisel hin. Die „Hockweiber“ (Frauen, die in Körben bis Anfang des 20. Jahrhunderts landwirtschaftliche Produkte in die Städte brachten) belegen, wie notwendig ein Nebenverdienst war.

Hoch-Weisel blieb bis zum 2. Weltkrieg ein vorwiegend von der Landwirtschaft geprägtes Dorf. In den letzten Jahrzehnten hat sich in Hoch-Weisel mit seinen ca. 1400 Einwohnern ein tief greifender Strukturwandel zur Arbeiterwohngemeinde vollzogen, wie größere Neubaugebiete mit hohem Wohnwert im Bereich der Hausberg- und Taunusstraße und leer stehende Scheunen und Ställe im Dorfkern zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass im Rahmen der Dorferneuerung bauliche und infrastrukturelle Mängel beseitigt werden können und damit die Attraktivität des Ortes in Zukunft gesteigert werden kann.

(Aus der 7. Ausgabe der Seniorenzeitung vom September 2005)