von Werner Wagner
Beide Orte sind seit ihrer Gründung aufgrund ihrer abseitigen Lage benachteiligt, denn Hausen liegt ca. 300 m über NN an der steilen Ostflanke und die Oes auf einer ca. 400 m hohen nach Norden abdachenden Rumpffläche des Taunus. Die landwirtschaftlichen Erträge bleiben aufgrund der steinigen und flachgründigen Böden, die zur Staunässe wegen des schiefrigen Untergrundes neigen, und einer relativ kurzen Vegetationsperiode meist niedrig. Die Bevölkerung war immer auf einen Zuverdienst (Holzfällerei, Besenbinden, Korbflechten, Schnitzarbeiten etc.) zur Landwirtschaft angewiesen. Aber auch das Landgehen, eine saisonale Wanderung zum Verkauf selbst gefertigter Produkte, oder die Auswanderung nach Amerika oder Australien vor allem im 19. Jahrhundert waren oft der einzige Ausweg aus Not und Elend. Diese Benachteiligung ist zwar abgemildert, aber im Grunde bis heute trotz besserer Verkehrserschließung geblieben, wenn man an die Versorgung der Bevölkerung denkt. Ohne eigenes Auto läuft in beiden Orten eigentlich nichts.
Die Besiedlung dürfte schon in der Jungsteinzeit erfolgt sein. Der Limes, die römische Grenze, führt direkt an Hausen vorbei. In der nachrömischen Epoche hat sich der Waldanteil auf den weniger ertragreichen Böden wohl erhöht und erst im 9. oder 10. Jahrhundert wurden Hausen und die Oes durch Rodung wieder neu besiedelt. Hausen wird 1017 in einer Schenkung Kaiser Heinrich II. an das Kloster Michelsberg bei Bamberg als „Lantswindehausen“ urkundlich erstmals erwähnt. Der am „Herrenbrunnen“ zu suchende „Herrenhof“ erinnert wohl noch daran. In der Folge wechselt die territoriale Zugehörigkeit mehrfach von den Münzenbergern zu den Falkensteinern, den Solmsern, den Eppsteinern und zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Bis 1826 gehört Hausen, das keinen Bürgermeister besitzt, verwaltungsmäßig zu Nieder-Weisel. Da sich die Hausener als fünftes Rad am Wagen empfinden, kämpfen sie 24 Jahre um ihre Selbständigkeit, die ihnen am 01.01.1850 zuerkannt wird. Grundstücke, Gebäude, Waldanteile und sonstiger Besitz werden genauestens mit Nieder-Weisel geteilt. Schon im 11. Jahrhundert ist Hausen eine Kirchenvogtei. Sicher war im 15. Jahrhundert schon eine Kirche vorhanden. 1556 wird die Reformation eingeführt. Zu dieser Zeit ist der Pfarrer von Hausen gleichzeitig Lehrer in Nieder-Weisel, was bis 1804 so bleibt, als die Hausener Pfarrstelle von der Nieder-Weiseler Schulstelle getrennt wird. 1821 wird Espa von der Pfarrei Hausen getrennt. Mitte des 19. Jahrhunderts ist die alte Kirche in Hausen so baufällig, dass eine neue errichtet werden muss, die 1860 eingeweiht wird. Heute wird die Hausener Gemeinde vom Pfarrer von Hoch-Weisel betreut.
1862 wird die erste, 1955 die zweite Flurbereinigung durchgeführt. Hausen besaß 1834 149, 1875 107 und 1900 88 Einwohner. Diese Zahlen zeigen den zu Beginn angesprochenen Bevölkerungsschwund aufgrund wirtschaftlicher Not. Bis zum Zweiten Weltkrieg stagniert die Einwohnerzahl bei ca. 100, steigt aber dann aufgrund des Zustroms von Heimatvertriebenen und Ausgebombten auf 167 1946 an. 1950 werden durch Heimatvertriebene die ersten Eigenheime errichtet. 1959 wird die Ortskanalisation an die Kläranlage angeschlossen. 1965 werden die Ortstraßen asphaltiert.
„Am Kirchweg“ und „Im Stiegelfeld“ entstehen Ende der 60er Jahren Neubaugebiete. Mit dem Wirtschaftswunder sucht mancher Städter ein Häuschen im Grünen, so dass die Einwohnerzahl Hausens ansteigt.
Die Entwicklung auf der Oes zeigt viele Parallelen. Der kleine Weiler wird 1319 erstmals erwähnt. Der Ortsname weist auf Ödland hin. Durch die Auflösung der kleinen Fürstentümer durch Napoleon 1806 werden die beiden Einödhöfe, ehemals im Privatbesitz der Grafen von Solms-Lich, 1852 endgültig nach Ablösung der Grundrenten in freies Eigentum überführt.
Am 8.4.1842 wird die Oes mit 42 Einwohnern zur selbständigen Gemeinde erhoben. Aber von was sollen die Bauern in 400 m Höhe bei schlechten Böden und niedrigen Ernteerträgen leben? Das Amerika-Fieber (Goldfunde in Amerika) erfasst die Bewohner. Sie suchen ihr Heil in der Auswanderung. 1871 leben noch 13, 1873 nur noch 9 Seelen, davon 3 Männer, auf der Oes. Zu diesem Zeitpunkt wird die Oes von Hausen aus mit verwaltet. 1895 zählt die Gemeinde noch 5 Einwohner. Die Oes droht zur Wüstung zu werden. Glücklicherweise erwirbt Johannes Heilmann 1895 die beiden Oes-Höfe. Ab 1916 sind beide wieder bewohnt und die Einwohnerzahl steigt bis 1938 auf 10. Nach der hessischen Gemeindordnung besitzt die Oes mit unter 100 Einwohner keine Gemeindevertretung, sondern als Legislative eine Gemeindeversammlung, wo jeder Wahlberechtigte Wort- und Stimmrecht hat. Da die Oes vom Hausener Bürgermeister mit verwaltet wird, ist der Haushalt getrennt zu führen und bei gemeinsamen Vorhaben müssen zwei Gremien abstimmen: die Hausener Gemeindevertretung und die Oeser Gemeindeversammlung. Um dieses komplizierte Verfahren zu beenden, beschließen die Hausener Gemeindevertreter am 16.12.1957, dass der Hausener Bürgermeister die Oes nicht mehr mit verwalten soll, was aber vom Landrat des Kreises Friedberg abgelehnt wird. 1968 wird die Oes nach Hausen eingegliedert und beide Orte wählen mit Heinz Joutz ihren ersten gemeinsamen ehrenamtlichen Bürgermeister. Jeder der fünf Hausener Gemeindevertreter hat 27 Stimmen (von 136 Hausener Wahlberechtigten), jeder anwesende Oeser eine Stimme. Bürgermeister Joutz lässt den Mittelweg zur Kreisstraße aufstufen und die Oes erhält eine gute ausgebaute Straße als Anschluß an die große, weite Welt. Die Strom- und Wasserversorgung werden ausgebaut. Nach 1950 setzt auf der Oes die Wochenendhausbewegung ein. Dauerbewohner kommen erst 1968, als ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt. 1971/72 verhindert die Gemeinde Hausen-Oes auf Initiative von Bgm. Joutz durch den so genannten „Flugplatzprozess“ die Anlage eines Verkehrslandeplatzes mit Flugschule und Flugzeugwerft auf der „Pfingstweide“. Verschiedene Versuche, im Rahmen der hessischen Kommunalreform durch einen freiwilligen Zusammenschluss mit Nachbargemeinden eine größeres Maß an Selbständigkeit zu bewahren, enden mit der Eingliederung nach Butzbach 1972.
Der Wohlstand und die wachsende Mobilität der Deutschen rettet die Oes vor dem Aussterben, aber trotz intakter Natur, Ruhe und schöner Lage bleibt die Abhängigkeit vom Pkw für die ca. 340 Bewohner von Hausen-Oes. Vor allem für alte Menschen kann die Abgeschiedenheit zum Problem werden.
(Aus der 6. Ausgabe der Seniorenzeitung vom März 2005)