Ebersgöns, der ehemals nassauische Stadtteil

Von Werner Wagner

Stand: 14.02.2008

Das etwa 250 m, in einer halbkreisförmigen Waldbucht, nach Norden zum fruchtbaren Hüttenberger Land langsam abdachenden am Taunusrand gelegene Ebersgöns wird 1197 erstmals in Urkunden der Klöster Schiffenberg und Arnsburg erwähnt, ist allerdings älter, wie die Nennung der Gönser Mark 777 im Lorscher Codex zeigt. Im Hochmittelalter gehörte der Ort zur Grafschaft Cleeberg, von 1298 bis 1816 war ein Teil des Dorfes naussauisch, kam 1816 zum preußischen Kreis Wetzlar und wurde am 1. Januar 1977 in die Stadt Butzbach eingegliedert.

Aus dem Mittelalter sind zwei Kapellen bekannt. Die heutige evangelische Kirche besitzt ein mittelalterliches Schiff, wie auch der romanische Taufstein belegt. Sie wurde 1690 umgebaut bzw. erweitert und erhielt 1772 einen dreiseitigen Chor aus verputztem Fachwerk mit einem Dachreiter. 1531/32 wurde die Reformation eingeführt und 1573 bekam Ebersgöns eine selbständige lutherische Pfarrei. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Zahl der Katholiken durch die Zuwanderung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen stieg, besuchte man zuerst den katholischen Gottesdienst in Groß-Rechtenbach. In den 50er Jahren hatte der katholische Geistliche 2500 Katholiken in 11 Gemeinden zu betreuen. 1952 schlossen sich die Katholiken von Ebersgöns, Cleeberg, Niederkleen, Oberkleen und Espa zu einer Gemeinde zusammen. Pfarrsitz mit Kirche wurde 1960 Oberkleen.

In den letzten 300 Jahren bildeten einige jüdische Familien zusammen mit Juden aus Niederkleen und Oberkleen eine kleine israelitische Gemeinde mit einer Synagoge und einem Friedhof in Ebersgöns.

Die Bevölkerung litt vor allem unter den Lasten des Dreißigjährigen Krieges. 1776 stellte für Ebersgöns eine Katastrophe dar, als bei einem Brand zwei Drittel des Dorfes (14 Häuser, 61 Viehställe, 36 Scheunen) zerstört wurden. Um 1800 litt die Bevölkerung in den Napoleonischen Kriegen. Trotz des Baus eines Kalkofens auf dem „Wetzelsberg“ wanderten im 19. Jahrhundert viele Ebersgönser aufgrund der anfallenden Feudallasten, der herrschenden Realteilung und der wachsenden Bevölkerungszahl aus. Im 19. Jahrhundert lebten die etwa 400 Ebersgönser fast allein von der Landwirtschaft. Die wirtschaftliche Lage sollte sich erst Ende des 19. Jahrhunderts verbessern. Im 20. Jahrhundert ging es dann aufwärts: 1869/70 wurde die Straße nach Pohlgöns, der Eichweg, ausgebaut, 1900 die Flurbereinigung durchgeführt, 1907 die Wasserleitung, 1910 die Butzbacher-Licher- Eisenbahn, 1912 die Kanalisation gebaut und 1919/20 erhielt der Ort elektrischen Strom. Mit dem Anschluss an das Schienennetz wurde das Kalkwerk am Heinrichsberg mit zeitweise bis zu 40 Beschäftigten zum wichtigsten Arbeitgeber für die Ebersgönser. Von nun an konnten die Gebrüder Vogt den Kalk direkt in Waggons verladen und nach Butzbach transportieren. 1934 waren bei ca. 450 Einwohnern 75 % in der Landwirtschaft, 15 % in der Kalkgewinnung und 20 % in Fabriken und im Handwerk beschäftigt. Nach 1945 wanderten 240 Heimatvertriebene zu, so dass die Bevölkerungszahl auf 600 anstieg und in den 50er Jahren für 28 Familien „Auf der Heide“ eine Neubausiedlung entstand. 1954 wurde für die 1846 erbaute alte Schule die neue Volksschule eingeweiht, die 1968 aufgelöst und in die Mittelpunktschule-Oberer-Hüttenberg eingegliedert wurde. 1962 stellte das Kalkwerk seine Produktion ein und eine Kabelverwertungsfirma verursachte bis in die jüngste Zeit Umweltprobleme, ohne dass wirklich Arbeitsplätze geschaffen wurden. Seit 1967 ist ein Stahl- und Metallbauunternehmen (Stahl-Vogel, Magnus-Müller KG) der wichtigste Arbeitgeber von Ebersgöns. Die Grundversorung ist mit der Aufgabe des letzten Lebensmittelgeschäftes nicht mehr gewährleistet, so dass man in größeren Nachbarorten, Butzbach, Gießen oder Wetzlar einkauft. Heute besitzt Ebersgöns mit seinen 769 Einwohnern als agrarisch (1995 17 landwirtschaftliche Betriebe, davon zwei Vollerwerbsbetriebe) geprägte Arbeiterwohngemeinde aufgrund seiner ruhigen und schönen Lage in der Nähe größerer Städte einen hohen Wohnwert.

(Aus der Ausgabe 3 der „Butzbacher Seniorenzeitung“ von 2003)