von Werner Wagner
Münster, mit seinen heute ca. 500 Ew. etwa 250 m über NN an der Nahtstelle zwischen Taunus und Wetterau gelegen, versteckt sich im vom Hausberg kommenden, noch tief in den Taunus eingeschnittenen Isselbach, der sich als Fauerbach nach Osten zur Wetterau hin öffnet. Böden und Klima eignen sich in diesem Übergangsraum nur bedingt für die Landwirtschaft.
Der Name Münster leitet sich wohl von lat. „monasterium“ (=Kloster) ab und weist auf die im Mittelalter überörtliche kirchliche Bedeutung des Ortes hin. Münster ist wohl im 10. Jahrhundert als kirchlicher Mittelpunkt für mehrere Orte aus der größeren Hoch-Weiseler Mark entstanden und wird 1271 erstmals urkundlich erwähnt. Der Ort war mit Wall und Graben umgeben, wie die Flurbezeichnung „Am Haingraben“ zeigt. Zur Großpfarrei Münster gehörten die Gemeinden Fauerbach v.d.H., Maibach, Bodenrod und Münster, wo 1531 die Reformation eingeführt wurde. Die Hoch-Weiseler Mark, und damit auch Münster, gehörten bis 1255 zum Münzenberger, dann bis 1418 zum Falkensteiner, danach zum Eppsteiner, 1478 zum Katzenelnbogener und 1479 zum Herrschaftsbereich der Landgrafen von Hessen, unter deren Herrschaft es dann in der Folge blieb. Von 1609 bis 1643 kam Münster in Besitz des Landgrafen Philipp III von Hessen-Butzbach (1581-1643), der auf dem Schlossberg, früher „Gehberg“, von 1626 bis 1628 als Amtsmittelpunkt ein dreieckiges Pest- und Fluchtschloss mit Eckbastionen und Gräben errichten ließ. Landgraf Philipp III führte an den Hängen des Schlossberges den Weinbau (vgl. Bezeichnung Wingertstraße) ein, der wohl noch bis 1780 angebaut wurde. Schloss Philippseck, dem das gesamte Kirchspiel seinen Namen verdankt, blieb bis 1688 Witwensitz von Anna Elisabeth, der zweiten Frau von Landgraf Wilhelm Christoph von Hessen-Homburg, die in der Gruft der Münsterer Kirche beigesetzt wurde. Als wahre Landesmutter nahm sie sich der Armen im Philippseck an und gründete u. a. Schulen in Maibach und Bodenrod. Schloss Philippseck wurde 1773 zum Abriss versteigert und heute erinnern nur noch Graben-, Keller- und Mauerreste an das ehemals so mächtige Bauwerk. Die Kirche von Münster wurde von Landgraf Philipp III als Neubau aus Saalkirche mit Chor errichtet und 1631 geweiht. Die Kirche war durch verschiedene unterirdische Gänge mit dem Schloss verbunden.
1605 trennte sich Münster vom Schulverbund Hoch-Weisel mit Fauerbach, Maibach und Bodenrod und man kann annehmen, dass um 1680 ein Schulhaus auf Anregung der Landgräfin Elisabeth Dorothea erbaut wurde. Diesem Zwecke diente das Gebäude trotz einiger Umbauten bis 1872, als die jüngeren Schüler aus Münster in die neue Grundschule nach Hoch-Weisel und die älteren auf weiter führende Schulen nach Butzbach gingen.
Die Erwerbsmöglichkeiten in der Landwirtschaft waren aufgrund der Höhenlage und Böden mit recht rauem Klima schlecht, so dass man in den letzten Jahrhunderten anderen Beschäftigungen nachgehen musste. Ab 1820 zogen viele Münsterer als Landgänger nach Norddeutschland, Nordeuropa, Russland und Amerika, um dort selbst hergestellte Holzgegenstände zu verkaufen. Auf das Phänomen der Hurdy-Gurdy-Girls, eine Art „Mädchenhandel“, sei hier nochmals hingewiesen. Mit den auf den amerikanischen Goldfeldern oder beim Verkauf der Holzprodukte erzielten Gewinnen kehrten viele in ihre Heimat zurück, um sich eine Gehöft und Acker zu kaufen. Die Einwohnerzahl von Münster ging von 361 1834 auf 219 1895 zurück. Pfarrer Schellenberg und Ohly aus Cleeberg, Schupp aus Espa, Kayser aus Nieder-Weisel und Drescher aus Münster kämpften vehement gegen den „verruchten Mädchenhandel“, der erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor allem nach der Reichsgründung 1871, aufgrund der verbesserten Anbaubedingungen (vgl. Einführung der künstlichen Düngung, verbesserte Dreifelderwirtschaft, Industrialisierung) sein Ende fand. Die Agrarstruktur wurde durch Flurbereinigungen von 1930 bis 1933 und von 1970 bis 1973 verbessert. Im Isseltal bzw. Tal des Fauerbaches arbeiteten einige Mühlen, woran noch heute die Lochmühle erinnert. 1845 wurde in der Nähe einer abgelegenen Mühle bei Münster der letzte Wolf im heimischen Raum geschossen.
Außer in der Landwirtschaft fanden einige Münsterer im Bergwerk, in dem Silber, Blei und Kupfer abgebaut wurde, vom 15. bis 17. Jahrhundert Beschäftigung. Das Bleibergwerk wurde 1878 still gelegt und die Stollen verfüllt.
Anfang des 20. Jahrhunderts waren Bodenrod und Maibach über Feldwege nur schwer zu erreichen, bis 1906 Straßen gebaut wurden, die sich in der Mitte beim Jagdhaus Hubertus kreuzten. Hier trafen sich jahrzehntelang Münsterer, Maibacher und Bodenröder, um in diesem gemütlichen Gasthaus mit Fremdenzimmern zu feiern und zu speisen, bis der Hubertus nach 1945 an den Kreis verkauft wurde, der dort das beliebte Kreisjugendheim einrichtete.
Münster blieb bis in den Zweiten Weltkrieg eine abgelegene kleine Agrargemeinde mit stagnierender Bevölkerungszahl. Im Herbst 1939 wurde zwischen Ziegenberg und Münster mit dem Bau des Führerhauptquartiers Adlerhorst durch die Organisation Todt begonnen. Zu dieser Zeit arbeiteten wohl 12000 bis 15000 Männer auf dieser Riesenbaustelle. Diese wurden u. a. bei Privatleuten, dem Saal des Gasthauses Philippseck und im Pfarrhaus in Münster untergebracht. Die Sperrzone um das Führerhauptquartier durfte nicht betreten werden. 1941 fertig gestellt, diente es bis Sommer 1944 vor allem als Genesungsheim für Verwundete und dann wieder als Führerhauptquartier, in dem sich Hitler vom 11. Dezember 1944 bis 15. Januar 1945 aufhielt. Nach der teilweisen Zerstörung durch einen Luftangriff am 19. März 1945 nahmen die Amerikaner den Adlerhorst kampflos ein und versuchten die soliden Betonbunker durch Sprengung unbrauchbar zu machen, was nur zum Teil gelang. U. a. aus gesprengten Betonbrocken errichteten viele Flüchtlinge und Heimatvertriebene, aus der Not der Nachkriegszeit geboren, teils auf Münsterer Gemarkung mitten im Wald unter schlechten Bedingungen (keine festen Wege, fehlender Wasser- und Stromanschluss) die kleine Flüchtlingssiedlung Wiesental.
Nach 1945 stieg die Einwohnerzahl durch die Zuwanderung von Flüchtlingen und Ausgebombten an, um später zu stagnieren, bis nach Norden am Schlossberg ein größeres Neubaugebiet erschlossen wurde, so dass die Einwohnerzahl auf etwa 500 heute anstieg. In der Kommunalreform schlossen sich Münster, Fauerbach v. d. H. und Wiesental 1971 zunächst zur Gemeinde Philippseck zusammen, bis diese dann am 1. August 1972 in die Stadt Butzbach eingegliedert wurde.
Heute stellt Münster eine idyllisch gelegene kleine Arbeiterwohngemeinde mit unzureichender Infrastruktur (ein kleiner Laden) und einigen Arbeitsplätzen (Marx Betonsystembau) dar.
(Aus der 10. Ausgabe der Seniorenzeitung vom März 2007)