Butzbach zwischen Besatzung, Schutzmacht und amerikanischem Kulturimperalismus

Der Geschichtsverein für Butzbach und Umgebung e.V. lud zu einem weiteren spannenden Vortrag am 12. Juni 2024 um 19.00 Uhr in das Katholische Gemeindehaus St. Gottfried in Butzbach (35510 Butzbach, Am Bollwerk 25) ein.

Referentin war die Kulturwissenschaftlerin und Historikerin Autorin Antje Sauerbier.

Thema war die Zeit der Stationierung der amerikanischen Soldaten in Butzbach.

Untermalt mit vielen dokumentarischen Fotos und Momentaufnahmen ließ sie die 6 Jahrzehnte lange Epoche und das Zusammenleben mit den in der Butzbacher Schlosskaserne und der Ayers-Kaserne stationierten „Amis“ wieder wachwerden.

In der Rückschau wird dieser Ausschnitt der Butzbacher Vergangenheit oft reduziert auf das Kneipenleben am „Payday“, mit „leichten Mädchen“ und übermütigen Soldaten, die die (damals) zahlreichen Gaststätten aufmischten und die Taxifahrer auf Trab hielten. Oder auch auf eine schlagfreudige MP, die schonungslos den Knüppel einsetzte und erst dann fragte, was eigentlich los ist.

Davon berichten Zeitzeugen meist als erstes, wenn man sie auf ihre Erinnerungen anspricht, schmunzelnd und mit einem Augenzwinkern.

Dass der Einfluss der amerikanischen Kasernen und Soldaten auf Butzbach groß gewesen sein muss zeigt auch ein Vergleich der reinen Anzahl der Letzen, auf ungefähr 10 000 Butzbacher kommen je nach Schätzung sechs bis zehn Tausend Soldaten, auch wenn die genaue Anzahl stets geheim gehalten wurde und wohl stark schwangte. Erschwerend für das harmonische Stadtleben war außerdem die demographische Zusammensetzung dieser Soldaten, ausschließlich junge Männer, die meisten ohne Familie und Kinder, nicht wenige für die die US Army die letzte und einzige Option und in ihrem Heimatland eine schwierige Existenz führten.

Aber das Leben mit den Amerikanern hatte weitaus mehr Facetten und beinhaltete Höhen und Tiefen. Stichwort: Exerzierplatz und Manöver, US-Schießstand, Radar-Station auf dem Hausberg, Proteste gegen US-Politik und Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Boden, Terror gegen US-Einrichtungen und GIs, sexuelle Übergriffe und kriminelle Vergehen durch Truppenangehörige, Umweltverschmutzung u.v.a.

Während mit Beginn der Besatzung im Frühjahr 1945 noch die „No Fraternization“ Regel den Umgang zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Zivilisten begrenzen, zeigte sich US-Präsident Eisenhower bereits im Sommer gnädig und verspricht den Deutschen, ihr Leben auf demokratischer Grundlage wiederaufzubauen.

Nach ihrem Einmarsch übernehmen die Amerikaner nach und nach die Schlosskaserne, die alte Schrenzerkaserne und konfiszieren hundert, zumeist vornehm eingerichtete Häuser der Bevölkerung die diese erst 1955 vollends zurück bekamen.

Neben diesen konfliktbeladenen Aspekten gibt es das einträchtige Miteinander, das soziale Engagement der Soldaten und die unkomplizierte und pragmatische Unterstützung durch die Militärs bei vielen Angelegenheiten im Alltag. Die Erinnerung an die vielen kleinen Kulturgüter, die bald auch zu unseren Kulturgütern geworden sind. Die wirtschaftliche Bedeutung und die Kaufkraft der tausenden Amerikaner, die persönlichen Freundschaften und oft der Bund fürs Leben, um nach Amerika zu kommen. Völkerfreundschaft und die Verbundenheit durch gemeinsame Werte, das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung, den beiderseitigen Zusammenhalt in Krisensituationen, NATO-Bündnis und die USA als Garant für Frieden und Freiheit in der westlichen Welt.

All dies lässt sich am Beispiel Butzbachs idealtypisch nachvollziehen. In ihrem sehr kurzweiligen Vortrag hielt Antje Sauerbier einen fairen und zugleich kritischen Rückblick in Wort und Bild auf diese hochspannende und rund 60 Jahre währende Episode der Butzbacher Stadtgeschichte.

Antje Sauerbiers Klein(st)-Verlag Rossborn Verlag für Belletristik und Sachbücher über die 40er bis 70er Jahre in Butzbach kann man über www.rossbornverlag-grüeninger.de finden. Dort vertreibt sie unter ihrem Pseudonym Ingeborg Rauch die Kriminalromane über den fiktiven Kriminalkommissar „Emil Grüninger“ und dessen  Fälle im Jahr 1962, die reale Ereignisse und kleine Anekdoten vermischt zu einer kurzweiligen und spannenden Geschichtsstunde über das Butzbach der 50er und 60er Jahre. Die Sachbücher „Eine Kleinstadt zwischen Panzern und Petticoats“ über den Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg und das „Wirtschaftswunder“, „Hippies, Hochhäuser und Hausberg-Radar“ über den aus der wirtschaftlichen Stärke hervorgehenden Optimismus und wiedererlangtes Selbstwertgefühl im Spannungsfeld der gesellschaftlichen Liberalisierung und ihren Konflikten und „Reformen, Randale & Altstadt-Report“ das sich um die progressiven 70er dreht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert